Baugesetzgebung des Kantons Aargau

Hinweise auf Gesetzesänderungen und Entscheide

Wichtige Änderungen seit 2015

1. Waldabstand (§ 48 BauG)

Neu wird für Kleinstbauten und -anlagen ein Mindestabstand von 4 m vorgeschrieben (§ 48 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 BauG). Terrainveränderungen und Stützmauern werden explizit geregelt (§ 48 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 und lit. b Ziff. 2 BauG). Schliesslich wurden einige Begriffe der IVHB übernommen (unterirdische und Unterniveaubauten).

Die Unterschreitung des Waldabstands durch untergeordnete Bauteile ist nicht mehr im Baugesetz geregelt, sondern nur noch in § 21 BauV.

 

2. Gewässerraum (§ 127 BauG)

Mit der Anpassung von § 127 BauG hat der Kanton einen weiteren Versuch unternommen, die bundesrechtlichen Vorgaben in der Gewässerschutzgesetzgebung umzusetzen. Neu beanspruchen die Gewässer einen sog. Gewässerraum. Als Gewässerraum wird das Gewässer mit seinen Uferstreifen bezeichnet (§ 127 Abs. 1 BauG). In § 127 Abs. 2 BauG sind die Messweisen des Uferstreifens beschrieben.

Für die grösseren Fliessgewässer (Rhein, Aare, Reuss und Limmat), die Fliessgewässer mit einer Gerinnesohle von weniger als 2 m, die eingedolten Gewässer sowie die stehenden Gewässer ist der Uferstreifen in § 127 Abs. 1 lit. a bis d BauG festgesetzt. Den Raumbedarf der übrigen Gewässer hat der Regierungsrat in einer behördenverbindlichen Gewässerraumkarte (zu finden im agis) festgelegt (§ 127 Abs. 3 BauG).

Die Vorschriften zum Gewässerraum werden von der zuständigen Behörde in ihren Nutzungsplänen und Wasserbauprojekten umgesetzt. Der Gewässerraum darf in bestimmten Fällen abweichend vom Gesetz oder von der Gewässerraumkarte geregelt werden (Hochwasser-, Natur- und Landschaftsschutz, in dicht überbautem Gebiet oder aus anderen Gründen der Gewässerschutzgesetzgebung; § 127 Abs. 4 BauG).

Aktuelle Entwicklung: In einem Entscheid aus dem Jahr 2017 hat das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau entschieden, dass die in § 127 BauG genannten Gewässerräume keine grundeigentümerverbindliche Wirkung entfalten können. Es sei für alle Gewässer eine Umsetzung in einem Nutzungsplanverfahren notwendig. Damit kann § 127 BauG in der aktuellen Fassung in Baubewilligungsverfahren nicht direkt angewendet werden. Weitere Informationen sind auf der Webseite des Departements Bau, Verkehr und Umwelt zu finden (zurzeit unter: Umwelt, Natur & Landschaft > Hochwasserschutz und Gewässer > Gewässerraum > vorübergehende Praxisänderung). Dort findet sich auch ein Merkblatt für das Baubewilligungsverfahren und eine Arbeitshilfe zur Umsetzung der Gewässerräume in der Nutzungsplanung.

Zum Begriff des dicht überbauten Gebiets konnte sich das Bundesgericht in diversen Entscheiden äussern. Auf diese wird im Abschnitt «Ausgewählte Entscheide» näher eingegangen. Das vom Bundesamt für Raumentwicklung und vom Bundesamt für Umwelt publizierte «Merkblatt vom 18. Januar 2013 zur Anwendung des Begriffs ‹dicht überbaute Gebiete› der Gewässerschutzverordnung» wurde aufgrund der ergangenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung informell aufgehoben. Es ist daher offiziell nicht mehr erhältlich. Das Bundesamt für Umwelt erarbeitet zurzeit eine Neufassung. Mit einer Veröffentlichung kann gemäss Auskunft des Bundesamts für Umwelt aber nicht vor Ende 2018 gerechnet werden.

 

3. Mehrwertabgabe (§§ 28a bis 28h BauG)

Seit der Revision des Raumplanungsgesetzes des Bundes (RPG) im Jahr 2014 sind die Kantone verpflichtet, für den Ausgleich von Planungsvorteilen bei Einzonungen zu sorgen (Art. 5 Abs. 1bis RPG). Der kantonale Gesetzgeber hat diese Vorgabe mit den neuen §§ 28a bis 28h BauG umgesetzt.

Der Kanton sieht eine verbindliche Abgabe von 20 Prozent bei Einzonungen vor (§ 28a Abs. 1 BauG). Die Gemeinde darf aber im kommunalen Recht einen Abgabesatz von bis zu 30 Prozent festschreiben (§ 28a Abs. 2 BauG). In verwaltungsrechtlichen Verträgen können die Gemeinden auch andere Planungsvorteile (insbesondere Aufzonungen oder Erhöhungen der Ausnützung) abschöpfen (§ 28a Abs. 2 BauG).

Über die voraussichtliche Höhe der Mehrwertabgabe wird bereits bei der öffentlichen Auflage des Nutzungsplanentwurfs orientiert (§ 28b Abs. 1 BauG). Nach der Genehmigung des geänderten Nutzungsplans erlässt der Gemeinderat eine Verfügung über die Höhe der Abgabe (§ 28b Abs. 1 BauG). Bei der Festsetzung der Höhe der Abgabe stützt sich der Gemeinderat auf eine Schätzung des kantonalen Steueramts (§ 28b Abs. 1 BauG).

Gegen die Festsetzungsverfügung des Gemeinderats kann Einsprache beim Gemeinderat erhoben werden (§ 28b Abs. 3 BauG). Der Einspracheentscheid des Gemeinderats kann beim Spezialverwaltungsgericht und dessen Entscheid beim Verwaltungsgericht mit Beschwerde angefochten werden (§ 28b Abs. 3 BauG / § 54 Abs. 1 VRPG).

Die bisherigen kommunalen Bestimmungen sowie die vertraglichen Vereinbarungen können weiterhin Gültigkeit beanspruchen (vgl. hierzu die Übergangsbestimmung in § 169 Abs. 9 BauG).

 

4. Kosmetische Anpassungen (diverse Paragrafen)

In diversen Paragrafen wurde der Begriff «Zonenplan» gestrichen. Neu wird nur noch der Begriff «Nutzungsplan» verwendet. Der Begriff «Einfriedigung» wurde im Baugesetz durch den in der Bauverordnung bereits verwendeten Begriff «Einfriedung» ersetzt.

Inhaltliche Änderungen sind mit diesen kosmetischen Anpassungen unseres Erachtens keine verbunden.

Wichtige Änderungen per 1. Januar 2015

1. Vorspringende Gebäudeteile (§ 21 BauV; Ziff. 3.4 Anhänge IVHB; § 51 BauG)

Die zulässigen Masse für vorspringende Gebäudeteile sind neu pro Gebäudeeinheit einzuhalten (§ 21 Abs. 1 BauV).

Vorspringende Gebäudeteile dürfen Grenz- und Waldabstände höchstens um 1,50 m, bei Klein- und Anbauten höchstens um 60 cm, unterschreiten bzw. Baulinien um dieselben Masse überschreiten (§ 21 Abs. 1 und 2 BauV). Neu dürfen Dachvorsprünge nur in den Strassenraum ragen, wenn sie wenigstens 4,50 m über dem Strassenniveau liegen und andere vorspringende Gebäudeteile nur, wenn sie die Voraussetzungen für eine erleichterte Ausnahmebewilligung gemäss § 67a BauG erfüllen (§ 21 Abs. 3 BauV). In Sondernutzungsplänen und Strassenbauprojekten darf von diesen Bestimmungen abgewichen werden (§ 21 Abs. 4 BauV).

 

2. Dachgeschosse (§ 24 BauV; Ziff. 6. 3 Anhänge IVHB; § 63 BauV)

Dachdurchbrüche sind neu auf zwei Dritteln statt auf einem Drittel der Fassadenlänge zulässig, wobei wiederum pro Gebäudeeinheit gemessen wird (§ 24 Abs. 1bis BauV). Um von dieser Änderung profitieren zu können, muss eine Gemeinde die Baubegriffe der IVHB übernommen haben und eine Revision des allgemeinen Nutzungsplans nach dem 1. Januar 2015 dem Kanton zur Vorprüfung eingereicht haben (§ 63 Abs. 3 BauV). Bis dies erfolgt ist, gilt § 16 Abs. 1 ABauV gemäss Anhang 3 zur BauV.

Auf weiteren Dachgeschossebenen sind vereinzelte Dachflächenfenster neu mit einer Einbaugrösse bis zu 0,75 m2 (bisher 0,5 m2) zulässig (§ 24 Abs. 1ter BauV). Von dieser Änderung können Gesuchstellende seit dem 1. Januar 2015 ohne weitere Anpassungen der Bau- und Nutzungsordnungen profitieren.

 

3. Energetische Sanierung von Bauten und Anlagen (§ 36 Abs. 1 BauV; § 51 Abs. 2 BauG; Art. 9 Abs. 3 lit. e EnG)

Bei energetischen Sanierungen von bestehenden Bauten und Anlagen werden Abweichungen von den Vorschriften betreffend Gebäudemasse, Abstände und Baulinien nur noch bis 20 cm privilegiert behandelt (§ 36 Abs. 1 BauV).

 

4. Solaranlagen (§ 49a BauV; Art. 18a RPG und 32a RPV)

Die Gesetzgebung im Bereich der Solaranlagen war in den letzten Jahren in einem stetigen Fluss. Das Bundesrecht sieht im aktuellen Art. 18a des Raumplanungsgesetzes (RPG; in Kraft seit 1. Mai 2014) vor, dass in Bau- und Landwirtschaftszonen genügend angepasste Solaranlagen auf Dächern keiner Baubewilligung bedürfen und der zuständigen Behörde lediglich gemeldet werden müssen. Nach Art. 32a Abs. 1 der Raumplanungsverordnung (RPV) gelten Solaranlagen als genügend angepasst, wenn sie die Dachfläche im rechten Winkel um höchstens 20 cm überragen, von vorne und von oben gesehen nicht über die Dachfläche hinausragen, nach dem Stand der Technik reflexionsarm ausgeführt werden und als kompakte Fläche zusammenhängen.

Das Bundesrecht ist direkt anwendbar, weshalb sich kantonale Ausführungsbestimmungen grundsätzlich erübrigen. Das kantonale Recht kann in bestimmten Bau- bzw. Schutzzonen weitere Erleichterungen bzw. Verschärfungen vorsehen. Davon hat der Kanton wie folgt Gebrauch gemacht:

Nach § 49a Abs. 1 BauV sind Solaranlagen auf Gebäuden in Industrie-, Arbeitsund Gewerbezonen auch dann baubewilligungsfrei, wenn sie die Dachfläche im rechten Winkel um mehr als 20 cm überragen. In Weilerzonen mit Ortsbild von nationaler Bedeutung, Dorf-, Altstadt- oder Kernzonen sowie bei Gebäuden unter Substanzschutz ist dagegen immer eine Baubewilligung einzuholen (§ 49a Abs. 2 BauV).

Ist keine Baubewilligung erforderlich, so ist die Solaranlage dem Gemeinderat mit einem kantonalen Formular zu melden und darf ausgeführt werden, wenn innert 30 Tagen nach Eingang der Meldung von der Behörde keine Einwände erhoben werden (§ 49a Abs. 3 und 4 BauV). Für das bislang zur Anwendung gelangende vereinfachte Verfahren (§ 50 Abs. 1 lit. c BauV) bleibt somit kein Raum mehr.

 

5. Verweise auf private Normen (§§ 37, 41, 43, 44 BauV)

Rechtserlasse sind zu publizieren und müssen für alle Bürger einsehbar sein. Durch Verweise in der Bauverordnung werden private Normen zu allgemeinverbindlichem Recht. Mit den Verweisen auf Normen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) und des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) (vgl. die Verweise in §§ 37, 41, 43, 44 BauV) stellt sich deshalb die Frage des Zugangs zu diesen Rechtsnormen, da diese SIA- und VSS-Normen private Normenwerke darstellen. Diese sind nicht frei zugänglich. Sie sind nur gegen Entgelt oder mit erheblichem Aufwand zu beschaffen.

Seit dem 1. Januar 2015 können die SIA-Normen und die VSS-Normen, auf welche in der Bauverordnung verwiesen wird, bedauerlicherweise nicht mehr beim Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) eingesehen werden. Diese Praxisänderung ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden und wenig kundenfreundlich.

Wichtige Änderungen per 1. September 2011

1. Baubegriffe und Messweisen (§ 16 ff. BauV)

§ 16 BauV verweist auf die Begriffe und Messweisen der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB). Die beiden Anhänge der IVHB sind im Anhang zur Bauverordnung aufgeführt. Die Bestimmungen von § 16 ff. BauV setzen die Bestimmungen der IVHB um und sind entsprechend der Systematik der IVHB geordnet. §§ 16 – 31 BauV gelten allerdings erst, wenn eine Gemeinde ihre Nutzungspläne angepasst hat.

 

2. Ausnützungsziffer (§ 32 BauV)

Sowohl die Formel zur Berechnung der Ausnützungsziffer als auch die Bezeichnung «anrechenbare Geschossflächen» (bisher: Bruttogeschossfläche) werden an die Formulierungen der SIA-Norm 421 angepasst.

Der bisher zulässige Abzug für zu Wohnungen gehörende Keller-, Estrich-, Wasch- und Trockenräume in Attika-, ausgebauten Dach- und natürlich belichteten Vollgeschossen wird geändert. Ein Abzug ist nur noch möglich, wenn es sich um Flächen in Untergeschossen, im Estrich oder in nicht natürlich belichteten Vollgeschossen (z.B. in den Hang gebauter Geschossteil eines Terrassenhauses) handelt. Demgegenüber können technische Räume weiterhin abgezogen werden (§ 32 Abs. 2 lit. a Ziff. 2 BauV).

§ 32 Abs. 2 lit. a Ziff. 5 BauV legt fest, dass offene Laubengänge zur Erschliessung überwiegend anrechenbarer Räume in den oberen Geschossen bis zu einer Breite von 1,20 m angerechnet werden.

Die bereits im bisherigen Recht vorgesehene Möglichkeit eines Nutzungsbonus wird in § 32 Abs. 3 BauV dahingehend präzisiert, als die Gemeinden nur noch für verglaste Balkone, Sitzplätze und Wintergärten einen Nutzungsbonus vorsehen können, sofern diese Bauteile ausserhalb der thermischen Gebäudehülle liegen und keine heizungstechnischen Installationen aufweisen.

In § 32 Abs. 4 BauV wird präzisiert, dass die in der entsprechenden Bauzone liegenden Grundstücksflächen zur anrechenbaren Grundstücksfläche gehören und dass die Flächen der Hauszufahrten ebenfalls angerechnet werden. Nicht angerechnet werden die Flächen bestehender oder projektierter Strassen der Grund-, Grob- und Feinerschliessung, wobei die bisherige Beschränkung auf öffentliche Strassen wegfällt, also neu auch Privatstrassen nicht in die Ausnützungsberechnung einbezogen werden dürfen.

 

3. Nutzungsübertragung (§ 34 BauV)

Anstelle des bisherigen Begriffs der «Ausnützungsverschiebung» wird neu die Bezeichnung «Übertragung von Nutzungsziffern» verwendet. Anders als bisher ist eine Übertragung von Nutzungsflächen über Zonengrenzen hinweg nur noch innerhalb von Sondernutzungsplänen und Arealüberbauungen zulässig.

 

4. Hindernisfreies Bauen (§ 37 BauV, § 53 BauG)

Neu legt § 37 Abs. 1 BauV fest, dass öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen, Gebäude mit mehr als 50 Arbeitsplätzen und Mehrfamilienhäuser nach Massgabe der Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten», Ausgabe 2009, des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) hindernisfrei zu erstellen sind. Bei einem Mehrfamilienhaus mit weniger als neun Wohneinheiten kann, sofern mindestens ein Vollgeschoss stufenlos zugänglich ist und eine spätere Anpassung möglich ist, die Erschliessung der übrigen Geschosse nur über Treppen erfolgen (§ 37 Abs. 2 BauV).

 

5. Vereinfachtes Baubewilligungsverfahren (§ 50 BauV, § 61 BauG)

Wie bisher werden Aussenwärmedämmungen zur Verbesserung der Energieeffizienz bestehender Bauten und Anlagen im vereinfachten Baubewilligungsverfahren beurteilt (§ 50 Abs. 1 lit. b BauV). Das vereinfachte Baubewilligungsverfahren gelangt aber neu auch bei Klein- und Anbauten innerhalb Bauzonen (§ 50 Abs. 1 lit. a BauV) zur Anwendung.

Für Aussenwärmedämmungen ausserhalb der Bauzonen und in der Umgebung eines geschützten Baudenkmals ist überdies eine kantonale Zustimmung erforderlich (§ 50 Abs. 1 lit. b BauV). Die Zustimmungserteilung durch den Kanton erfolgt dabei ebenfalls in einem vereinfachten Verfahren.

 

6. Solaranlagen (§ 50 BauV)

Es kann auf die vorstehenden Bemerkungen (>> Wichtige Änderungen per 1. Januar 2015, 4. Solaranlagen) werden.

 

7. Inhalt des Gesuches (§ 51 BauV, § 60 BauG)

Der im bisherigen Recht verwendete Begriff «kantonale Koordinationsstelle» wird neu durch den Begriff «Abteilung für Baubewilligungen» ersetzt.

Die für die Beurteilung eines Baugesuchs notwendigen Begründungen, Unterlagen und Pläne werden gegenüber dem bisherigen Recht erweitert. Neu ist einem Gesuch eine Konformitätserklärung zur erdbebengerechten Bauweise von Neu- und Erweiterungsbauten sowie von Umbauten mit Eingriff in die Tragstruktur (§ 51 Abs. 1 lit. b BauV) beizulegen. Der Nachweis der Einhaltung der Energiegesetzgebung (Energienachweis) wird nun ausdrücklich als Gesuchsbeilage bezeichnet (§ 51 Abs. 1 lit. a BauV). Dadurch wird sichergestellt, dass eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Energie erfolgt und optimale Lösungen in die Planung einfliessen können.

Für den Nachweis der Erdbebensicherheit (§ 51 Abs. 1 lit. b BauV, § 52 BauG) werden die Formulare «Konformitätserklärung zur erdbebengerechten Bauweise von Neu- und Erweiterungsbauten» sowie «Bestehende Gebäude: Umbauten und Instandsetzungen – Deklaration zur Überprüfung der Erdbebensicherheit» des Bundes übernommen. Diese Formulare sind von der Bauherrschaft, dem Projektverfassenden und dem Bauingenieur zu unterzeichnen. Damit wird bescheinigt, dass die Anforderungen der Erdbebensicherheit gemäss den einschlägigen Normen eingehalten werden. Eine fachliche Kontrolle durch die Baupolizei wird nicht durchgeführt.

Wird in einem Schadenfall festgestellt, dass eine Baubewilligung trotz fehlender Konformitätserklärung oder aufgrund einer offensichtlich unrichtigen und nicht beanstandeten Konformitätserklärung erteilt wurde, so wird sich die Frage stellen, ob die Baubewilligungsbehörde für den Schaden mithaftbar ist.

 

8. Einwendungsverfahren (§ 60 BauV, § 4 BauG)

§ 60 Abs. 1 BauV hält fest, dass Einwendungen einen Antrag und eine Begründung enthalten müssen. Einwendungen, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, können innert einer Nachfrist verbessert werden.

 

9. Verweise auf private Normen (§§ 37, 41, 43, 44 BauV)

Es kann auf die vorstehenden Bemerkungen (>> Wichtige Änderungen per 1. Januar 2015, 5. Verweise auf private Normen) verwiesen werden.

 

10. Änderung der eidgenössischen Gewässerschutzverordnung

Die revidierte Gewässerschutzverordnung (GSchV) ist am 1. Juni 2011 in Kraft getreten. Darin wird auf Bundesebene die Bemessung des Gewässerraums für Fliess- und stehende Gewässer definiert sowie die zugelassene Bewirtschaftung und Nutzung dieses Raums vorgegeben. Unter anderem werden in der Verordnung Mindestbreiten und Kriterien für den neu auszuscheidenden Gewässerraum festgelegt. Gemäss Art. 36a des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) haben die Kantone diese Bestimmungen umzusetzen, wobei eine Festlegung des Gewässerraums über die Nutzungsplanung erfolgen muss. Die Gemeinden sind daher gehalten, die neuen Bestimmungen in ihre Planung einzubeziehen und den Raumbedarf der Gewässer planerisch festzulegen. Die neuen bundesrechtlichen Vorgaben führen dazu, dass der kantonale § 127 BauG, der bislang die Gewässerabstände definierte, nicht mehr anwendbar ist. Die planerische Umsetzung der neuen Regelung muss bis spätestens 31. Dezember 2018 erfolgen. Solange die Festlegung des Gewässerraums nicht erfolgt ist, gelten die in der Gewässerschutzverordnung enthaltenen Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 4. Mai 2011.

Ausgewählte Entscheide

1. Gewässerraum

Zum Thema «dicht überbautes Gebiet» (vgl. Art. 41c Abs. 1 lit. a Gewässerschutzverordnung) konnte sich das Bundesgericht bereits mehrfach äussern:

Ein peripher gelegenes Gebiet mit nur wenigen überbauten Bauparzellen am Flussufer, welches an grosse Grünräume angrenzt, ist nicht dicht überbaut (BGE 140 II 428, Erw. 8). Demgegenüber befindet sich eine Bauparzelle in dicht überbautem Gebiet, wenn sie im Hauptsiedlungsgebiet einer Agglomeration gelegen ist und der fragliche Uferabschnitt mit einer Ufermauer verbaut sowie mit Boots- und Badehäusern überstellt ist (BGE 140 II 437, Erw. 5.4). Eine locker überbaute Insel, die von den Hauptsiedlungsgebieten von Pfäffikon und Hurden (Freienbach) abgesetzt liegt, ist nicht dicht überbaut (Urteil BGer 1C_473/2015 vom 22.03.2016, Erw. 5.7, in: URP 2016 S. 375). Der Weiler Seestatt in der Gemeinde Altendorf ist zwar gegen innen dicht überbaut. Die gebotene übergeordnete Betrachtung zeigt aber, dass unmittelbar östlich und westlich des Weilers die Bebauung nur noch sporadisch ist. Zwischen den einzelnen Gebäuden liegen grosse Grünflächen. Das Bundesgericht gelangte daher zur Auffassung, dass das fragliche Gebiet nicht dicht überbaut ist (BGE 143 II 77, Erw. 2, mit einer Zusammenfassung der Rechtsprechung).

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zeigt, dass die Frage, ob ein Gebiet dicht überbaut im Sinne des Gesetzes ist, sehr stark vom Einzelfall abhängt.

 

2. Baubewilligungspflicht

Im Jahr 2015 mussten sich die Rechtsmittelinstanzen vermehrt mit der Frage der Baubewilligungspflicht von Umnutzungen bestehender Gebäude in Asylunterkünfte befassen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts stellt die Unterbringung von Asylsuchenden grundsätzlich eine Wohnnutzung dar. Die Umnutzung eines Mehrfamilienhauses in eine Asylunterkunft ist nicht baubewilligungspflichtig (AGVE 2015 S. 168 ff.). Die Umnutzung eines Hotels in eine Asylunterkunft ohne bauliche Massnahmen ist ebenfalls nicht baubewilligungspflichtig (EBVU vom 2. September 2015, Erw. 3 [BVURA.15.458], publiziert in der Entscheidsammlung des Departements BVU).

 

3. Rechtschutzinteresse / Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren

Immer wieder stellt sich die Frage, wie weit die Baubehörde zivilrechtliche Fragen abklären bzw. berücksichtigen muss. Mit Ausnahme von Fragen zu Grenzabständen und hinreichender Erschliessung halten sich die Baubehörden (zu Recht) mit der Beurteilung von zivilrechtlichen Fragen zurück. In einem nicht publizierten Entscheid vom 17. Mai 2017 hat der Regierungsrat allerdings entschieden, dass für ein Baugesuch auf fremdem Grund das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der betroffene Grundeigentümer klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er die geplante Baute oder Anlage nicht dulden werde (RRB Nr. 2017- 000543, Erw. 1.3 und 1.4). Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hatte demgegenüber am 11. Januar 2017 ein (nachträgliches) Baugesuch zu beurteilen, mit dem die Bauherrschaft in einer Zone mit geschlossener Bauweise darum ersuchte, ihr ein um ca. 40 cm auf das Grundstück des Nachbarn ragendes Dach, das mit dem etwas tiefer gelegenen Dach des Nachbarn verbunden war, zu bewilligen. Der Nachbar lehnte die überragende Baute stets ab. Das Verwaltungsgericht vertrat die Auffassung, dies sei eine Privatangelegenheit, um die sich eine Baubewilligungsbehörde nicht zu kümmern brauche. In diesem Zusammenhang verwarf das Verwaltungsgericht das Argument des Nachbarn, bei geschlossener Bauweise betrage der Grenzabstand 0 m, weshalb eine Änderung dieses Abstandes nur beim Vorliegen einer Dienstbarkeit zulässig sei (WBE.2016.249; nicht publiziert).

Das Einwendungsverfahren ist wenig formalistisch ausgestaltet. Allerdings gilt es zu beachten, dass die Anträge im Einwendungsverfahren in einem späteren Beschwerdeverfahren nicht erweitert werden können. Es empfiehlt sich daher, die Anträge im Rahmen des Einwendungsverfahrens eher weit zu fassen. Dagegen darf im Beschwerdeverfahren die Begründung der Anträge ergänzt oder erweitert werden (Entscheid des Regierungsrats, RRB Nr. 2016-00919, vom 17. August 2016).

 

4. Solaranlage

Eine Aufdach-Fotovoltaikanlage ist in einer Kernzone unzulässig, wenn sie – anders als eine Indachanlage – die Dachgestaltung stark unruhig macht und das Ortsbild wesentlich beeinträchtigt (EBVU vom 3. Februar 2017, Erw. 3 und 4 [BVURA.16.533], publiziert in der Entscheidsammlung des Departements BVU).

 

5. Ausnützungsziffer / Planungspflicht

Zur anrechenbaren Grundstücksfläche gehören die in der entsprechenden Bauzone liegenden Grundstücksflächen. Die Flächen der Hauszufahrten werden angerechnet. Nicht angerechnet werden die Flächen bestehender oder projektierter Strassen der Grund-, Grob- und Feinerschliessung (§ 32 Abs. 4 BauV). Ob eine Strasse eine Hauszufahrt ist, kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein.

Das Departement BVU hat entschieden, dass eine 31 m lange private Zufahrt zur Erschliessung von vier Gebäuden als Hauszufahrt gilt (EBVU vom 8. Dezember 2017, Erw. 2.2 [BVURA.17.386], publiziert in der Entscheidsammlung des Departements BVU). Eine 150 m lange Privatstrasse, die das öffentliche Strassennetz mit sieben Grundstücken verbindet, ist dagegen eine (private) Erschliessungsstrasse (Urteil des Verwaltungsgerichts III/15 vom 23. Februar 2016, Erw. 3.1 [WBE.2015.110], publiziert in der Entscheidsammlung des Departements BVU). In diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht weiter entschieden, dass eine solche Strasse eine kleinere Erschliessungsanlage ist und – sofern sie sich widerspruchsfrei in die kommunale Planung integriere – ohne Erschliessungsplan erstellt werden darf (Erw. 3.2).

 

6. Behindertengleichstellung

Der Regierungsrat hat entschieden, dass ein als religiöses Zentrum genutztes Vereinslokal als öffentlich zugängliche Baute im Sinne von § 53 Abs. 1 BauG gilt. Bei der Erneuerung von Bauten darf die Baubehörde vom Bauherrn nur Massnahmen für hindernisfreies Bauen verlangen, soweit diese nicht mehr als 20 % der massgeblichen Erneuerungskosten betragen (§ 38 Abs. 1 lit. b BauV; AGVE 2015 S. 397).

 

7. Grenzabstand

Das Verwaltungsgericht vertritt die Auffassung, dass bei Bauvorhaben in Zonen für öffentliche Bauten für fehlende Bauvorschriften (z.B. Grenzabstandsvorschriften) in der Regel die Bestimmungen von Referenzzonen heranzuziehen sind. Das Departement BVU hat die Anwendung dieser Rechtsprechung auf ein Bauvorhaben in der Dorfzone verneint. Vielmehr ist es der Ansicht, dass sich die massgeblichen Bauvorschriften (konkret: der notwendige Grenzabstand) aus der Stellung bestehender Bauten und der Einpassung ins Ortsbild ergeben. Im konkreten Fall hat das Departement BVU einen Grenzabstand von 2.85 m als ausreichend erachtet (EBVU vom 26. August 2016, Erw. 5.2.4 [BVURA.15.463], publiziert in der Entscheidsammlung des Departements BVU).